Allein in Deutschland stottern mehr als 800.000 Menschen. Stottern bedeutet, dass jemand Probleme hat, flüssig zu sprechen. Wer stottert, stolpert immer wieder über einzelne Wörter, bleibt hängen oder wiederholt einzelne Silben. Am 22. Oktober wird jedes Jahr auf die Probleme der Stotterer aufmerksam gemacht.
Ursachen sind unklar.
Woher das Stottern kommt, ist bis heute nicht geklärt. Sicher ist aber, dass Stottern kein Zeichen von Dummheit ist – Stotterer sind genauso intelligent wie alle anderen! Trotzdem werden Stotterer oft gehänselt. Vielen ist es deshalb zum Beispiel unangenehm, in der Schule aufgerufen zu werden. Durch die Angst vorm Sprechen kann das Stottern aber noch schlimmer werden. Deshalb ist es gut, sich Hilfe bei einem Logopäden zu holen, einem Experten für Sprechstörungen.
Stottern ist eine ernst zu nehmende Kommunikationsstörung, die durch unwillkürliche und situationsabhängige Redeflussstörungen gekennzeichnet ist. Die Symptome dieser Störung sind umfangreich und emotional belastend. Jeder hat wohl schon mal die klassischen Kernsymptome bei einem Stotterer wahrgenommen, also entweder Dehnungen („Mmmmmmaus“) oder Wiederholungen von Lauten („K-K-Katze“), Silben („Hu-Hu-Hund“), einem Wort (ein „Vogel-Vogel-Vogel“) oder Prasen („oder die-oder die-oder die Schnecke“) oder auch Blockierungen („Mein Name ist … Paul“).
Das Stottern manifestiert sich jedoch auch in den Bereichen Atmung, Stimmgebung und Artikulation und häufig kommt es zu vielen Begleiterscheinungen wie hoher Körperspannung, Zwinkern oder Grimassieren, welche es den Sprechern noch schwieriger machen, ihre Gedanken zu verbalisieren. Deshalb entwickeln sie oft Strategien, um ihre Problemzonen zu umgehen. Diese reichen von Ausweichsätzen wie „Ich nehme 3 Brötchen und 2 dazu“ über Füllwörter wie „nämlich, so, hä, sozusagen“ bis hin zu sog. Startern, die helfen sollen, den Worteinstieg zu finden (z. B. Klopfen oder Stampfen).
Doch leider ist es auch so, dass viele Stotterer sich aufgrund ihrer Redeflussstörung zurückziehen, Unterhaltungen vermeiden oder aus diesen flüchten. Nicht selten stehen sie unter starkem innerlichen Druck, der sie psychisch belastet und depressiv macht. Sie suchen dann gern Zuflucht in symptomfreien Bereichen wie Singen, Fremdsprachen, Fluchen oder Selbstgesprächen.
Laut aktueller Studien stottern circa 5 % der europäischen Kinder, von denen glücklicherweise 75 % das Stottern ohne Therapie überwinden können. Es bleibt also nur 1 % übrig, der bis ins Erwachsenenalter hin nicht symptomfrei werden kann. Für Eltern, deren Kind die Diagnose „Stottern“ erhält, ist die Hoffnung also groß, dass es nichts Langfristiges werden muss. Wie auch bei vielen anderen logopädischen Störungsbildern ist die Devise „je früher, desto besser“ der größte Garant für eine erfolgreiche Therapie. Jedoch ist nicht jedes Stottern gleich Anlass zur logopädischen Behandlung.
In meiner Praxis landen die Kinder, bei denen es nicht aufhört, und die besorgten Eltern fragen Logopädinnen im Erstgespräch meistens nach dem Warum. In den Köpfen der Menschen sind noch die alten Vorurteile verhaftet, wenn es ums Stottern geht. Das Kind gibt sich einfach nicht genug Mühe oder hat was ganz Traumatisches erlebt, vielleicht sogar in den eigenen vier Wänden? So haben betroffene Eltern oftmals Angst, man könnte mit dem Finger auf sie zeigen.
Die genauen Gründe, warum ihr Kind stottert, kann der Therapeut nicht sagen, aber oftmals liegt eine genetische Komponente vor. Das Stottern ist also meistens angeboren und weder die Eltern noch das Kind können etwas dafür. Tatsächlich gibt es unzählige Theorien, wie und warum Stottern entsteht. In den letzten zehn Jahren haben Forscher allerdings bemerkenswerte Entdeckungen gemacht, denen zufolge die Hauptursache im Großhirn liegt und der Stotterer seine Sprechmuskulatur schon ansteuert, bevor die Planung der Wörter und Sätze abgeschlossen ist. Die forschenden Neurowissenschaftler behaupten also, dass stotternde Menschen ihr Hirn anders nutzen als nicht stotternde.
Aufgrund dieser Erkenntnisse gibt es viele Möglichkeiten, wie der Logopäde mit dem Patienten an seiner Redeflussstörung arbeiten kann. In erster Linie ist es wichtig, auch das Umfeld des stotternden Kindes aufzuklären und zur Mithilfe zu motivieren. Mit dem kleinen Patienten werden dann die Symptome spielerisch erarbeitet.
So nutzt man bildliche Beispiele für die Kernsymptome, also den Frosch für Wiederholungen, die Schlange für Dehnungen und für Blockierungen den kleinen dicken Bären, der mit seinem Honigtopf im Baumloch stecken bleibt. Das Kind kann so seine eigenen Symptome entdecken und sich langsam damit identifizieren.
Durch verschiedene Techniken, wie rhythmisches Sprechen, weichen Stimmeinsatz oder Zeitlupensprechen, bekommt der Patient die Hilfe, um in der Therapie symptomfrei sprechen zu können.
Sollte sich bereits eine gewisse Sprechangst manifestiert haben, wird auch diese in der Therapie thematisiert und z. B. mit Angsthierarchien oder mit In-vivo-Training bearbeitet. Das heißt, innerhalb der Therapiestunde werden Situationen, in denen das Stottern am stärksten auftritt (z. B. beim Telefonieren), besprochen, geplant und geübt. Auch für den Alltag werden gemeinsam mehr und mehr Bewältigungsstrategien entwickelt und im besten Fall wird die Sprechfreude wieder geweckt. Rückfälle sind jederzeit möglich und es ist wichtig, dass der Patient weiß, wie er sich da selbst „rausholen“ kann und dass er daran nicht verzweifeln muss.
Aber was können Sie als Familie, Angehörige und Freunde tun, um den Stotterer zu unterstützen? Hierzu habe ich Patienten befragt, die ihre Stotterproblematik bis ins Erwachsenenalter nicht ganz überwinden konnten. Ich wollte wissen, wie man als Gegenüber am besten auf Stottern reagiert, was angebracht und was weniger hilfreich ist.
Dazu gaben sie mir folgende überraschende Antwort: „Reagieren? Möglichst gar nicht, einfach zuhören wie bei anderen Menschen auch. Wo die Meinungen auseinandergehen, ist beim Helfen. Eigentlich soll man es nicht, aber mir persönlich ist es ganz recht, wenn ich an einem Wort ganz besonders festgefahren bin, dass ein anderer es für mich ausspricht, wenn er es schon weiß. Ich fühle mich nämlich nicht wohl dabei, nicht voranzukommen, und will da schnell raus. Tipps von anderen à la langsam reden! Nicht so hektisch! Wir sind doch unter uns, was bist du denn so aufgeregt? sollte man sich verkneifen, denn das stresst nur zusätzlich und macht es nicht besser.
Außerdem sollte man den Betroffenen nicht darauf aufmerksam machen, dass er stottert. Man ist ja nicht blöd und weiß um sein Problem!“
So kann man abschließend feststellen, dass ein offenes und ehrliches Miteinander die Kommunikation erleichtert und die Situation für den Stotterer deutlich stressfreier wird, wenn man als Gegenüber fragt, wie man denn helfen kann.