Sprachstörungen bei Erwachsenen – Aphasie
Unter Sprachstörungen im Erwachsenenalter versteht man zentrale Störungen des Sprachsystems, die erst nach Abschluss des Spracherwerbs auftreten. Es können ebenso wie im Kindesalter alle Komponenten des Sprachsystems – Lautsystem, Wortschatz, Grammatik und Pragmatik – isoliert oder in Kombination in unterschiedlichem Schweregrad betroffen sein. In jedem Bereich sind Störungen des Sprachverständnis und / oder der Sprachproduktion möglich. Bei Erwachsenen können sich solche Sprachstörungen insbesondere auch auf die Schriftsprache, also das Lesen und Schreiben, erstrecken. Typischerweise treten bei betroffenen Personen zugleich verschiedene individuelle sprachliche Symptome auf. Kein Betroffener weist die gleichen oder alle unten aufgeführten Symptome auf!
Aphasie
Aphasie bedeutet ursprünglich „ohne Sprache“. Eine Aphasie ist ein neurologisches Störungsbild, das z.B. nach einem Schlaganfall auftreten kann.
Bei einer Aphasie sind in der Regel alle vier Sprachmodalitäten Sprechen, Verstehen, Lesen und Schreiben gestört. Eine Aphasie ist keine geistige Behinderung oder psychische Störung, sondern verändert die Fähigkeit, sich mit Hilfe der Sprache auszudrücken und Gesprochenes zu verstehen. Jede Aphasie äußert sich anders.
Der Aphasie liegen hirnorganische Prozesse zugrunde (z.B. Schlaganfall, Hirnblutung).
Erscheinungsformen der Aphasie
Das Verstehen von gesprochener und geschriebener Sprache
Alle aphasischen Personen haben mehr oder weniger stark ausgeprägte Probleme beim Verstehen. (nicht zu verwechseln mit dem bloßen Hören)
Sie verwechseln die Bedeutung von Wörtern und können den Sinn von langen und schwierigen Sätzen nicht oder nur mit Schwierigkeiten erfassen. Deshalb sind schon bei einfachen Gesprächen Missverständnisse möglich, und das genaue Verstehen von Texten bereitet Mühe.Die meisten aphasischen Personen leiden unter Wortfindungsstörungen, die sich wie folgt zeigen können:
- Sie können z.B. einen Gegenstand nicht benennen, obwohl sie genau wissen worum es sich handelt.
- Sie verwechseln zwei in ihrer Bedeutung verwandte Wörter: sie sagen oder schreiben «Tisch» anstatt «Stuhl».
- Sie benennen einen Gegenstand mit einem in der Muttersprache nicht gebräuchlichen Begriff, z.B. «Stundenteiler» für «Uhr».
- Sie entstellen die Wörter, z.B. Label statt Gabel.
Tipps für den Umgang mit Aphasikern
Wie kann ich den Aphasiker besser verstehen?
1. Der Aphasiker braucht mehr Zeit für seine Äußerungen. Zuhören bedeutet: Warten
2. Das, was der Aphasiker sagt, wird häufig vom Gesprächspartner beeinflusst. Nicht zu früh mit Wortvorschlägen helfen!
3. Mit dem Herzen hören. Achten Sie darauf, ob die Absicht des Aphasikers verstanden wurde.
4. Ein Wort, das nicht passt, nicht direkt verwerfen – es könnte zum beabsichtigten Wort hinführen.
5. Mitdenken und genaues Beobachten der Situation helfen beim Verstehen.
6. Gemeinsam mit dem Aphasiker herauszufinden versuchen, worauf sich seine Aussage bezieht.
7. Bei unverständlichen Äußerungen nicht ständig unterbrechen sondern abwarten.
8. Nur auf den Inhalt achten – die Form übersehen. Nicht ständig verbessern.
9. Nicht auf sprachlicher Äußerung bestehen, auch nicht sprachliche Äußerung akzeptieren. (Mimik, Gebärden usw.)
10. Bei hartnäckigen Wortwiederholungen unterbrechen und ablenken.
12. Nicht aufgeben. Schlüsselsatz: «Wir werden es herausfinden – fang noch mal an!»
Was kann ich tun, damit der Aphasiker mich besser versteht?
1. Ruhe ist wichtig. Hintergrundgeräusche stören das Verstehen.
2. Zweiergespräche sind leichter als Gruppengespräche.
3. Nonverbale Signale einsetzen. Neben Tonfall, Mimik und Körpersprache, Schrift
und Bilder einsetzen.
4. Ruhig, nicht zu schnell, aber natürlich und in normaler Lautstärke sprechen.
4. Bei Nichtverstehen andere Worte/Formulierungen wählen.
5. Je nach individuellen Möglichkeiten der Aphasiker nach kürzeren Abschnitten
(Satzteilen, Sätzen, Texten) Pausen einlegen.
6. Ja-Nein Fragen stellen. Offene Fragen und Alternativfragen sind oft zu schwierig.
Wie kann ich als Aphasiker das Gespräch erleichtern?
1. Prüfen Sie: «Habe ich wirklich verstanden?»
2. Ihre Gesprächspartner erkennen nicht immer, ob Sie alles verstanden haben.
Nichtverstehen sofort zum Ausdruck bringen.
3. Auf den Hörer achten. Halten Sie Augenkontakt. Prüfen Sie: Weiß mein
Gesprächspartner, worüber ich spreche?
Was für Hilfsmittel gibt es?
Für Personen mit schweren Aphasien werden meist in der Therapie Hilfsmittel für die Verständigung erarbeitet. Diese sind dann den jeweiligen individuellen Bedürfnissen angepasst und sollten unbedingt auch zu Hause im Alltag eingesetzt werden. Dies setzt eine Beratung durch die behandelnde Logopädin voraus. Der Einsatz muss geübt werden.
In Abhängigkeit von der individuellen Symptomatik, der Dauer der Sprachstörung und den individuellen Bedürfnissen des Patienten stehen uns zur Behandlung der Sprachstörung die unterschiedlichsten Therapieansätze und -methoden zur Verfügung, von denen wir die oder den für den Patienten am besten geeigneten auswählen und individuell anpassen:
stimulierend/deblockiernd:
Reaktivierung sprachlicher Fähigkeiten über eine Stimulierung des gesamten Sprachsystems (z.B. Deblockierungsmethode nach Weigl, Melodische Intonationstherapie nach Sparks et al.)
symptomorientiert/sprachsystematisch:
Anregung spezifisch sprachlicher Lernprozesse mithilfe nach sprachwissenschaftlichen Kriterien strukturierten Sprach- und Übungsmaterials (z.B. Neurolinguistische Aphasietherapie NAT nach Neubert et al.)
prozess-/strategie-/modellorientiert:
Optimierung erhaltener Sprachprozesse und Kompensation gestörter sprachlicher Verarbeitungsrouten (z.B. Reduzierte Syntaxtherapie REST nach Schlenck et al.)
kommunikativ/pragmatisch:
Verbesserung der Kommunikation durch Einsatz aller verfügbaren Ausdrucksmittel (z.B. Promoting Aphasics‘ Communicative Effectiveness PACE nach Davis & Wilcox)