Mit ‚Myo‘ ist ‚Muskel‘ gemeint. ‚Myofunktionell‘ heißt: die Funktion der Muskeln des Mundraumes und des Gesichts betreffend.
Unter einer myofunktionellen Störung versteht man eine Störung der Gesichtsmuskelbalance, d.h. es liegt eine meist „schlaff“ wirkende Muskelspannung der Mund- und Gesichtsmuskulatur beim Sprechen und Schlucken vor. Dadurch kommt es zu Fehlfunktionen und -haltungen aller beim Sprechen und Schlucken beteiligten Gesichts- und Mundmuskeln. Dies führt oft zu einer wechsel- oder dauerhaft offenen Mundhaltung und Mundatmung, zu einem falschen Schluckmuster (Zungenvorstoß beim Schlucken) und zu einer Vorverlagerung der Zunge an oder zwischen die vorderen oder seitlichen Zähne beim Sprechen und / oder Schlucken. dadurch, dass Wangen- und Augenmuskulatur erschlaffen, entsteht ein etwas ‚dümmlicher‘ Gesichtsausdruck.
Als weitere Symptome können ein vermehrter Speichelfluss, später vermehrtes Lippenlecken, eine verkürzte Oberlippe sowie eine nach außen gerollte gerötete Unterlippe beobachtet werden. Myofunktionelle Störungen haben meist weiter gehende negative Folgen: Probleme mit der Körperhaltung und -spannung sowie Probleme mit der der Konzentration, der Motivation und des Durchhaltevermögens.
Als Folgen einer myofunktionellen Störung treten häufig Zahnfehlstellungen und Sprechstörungen auf. Durch die falsche Zungenhaltung kann es beispielsweise zu hörbaren Fehlbildungen der Zischlaute (s, sch) kommen (z.B. Lispeln). Durch unphysiologische Bewegungsabläufe während des Schluckens, bei denen die Zunge gegen die Zähne drückt, kommt es typischerweise zu Zahnfehlstellungen (z.B. offener Biss). Auch kann der Zahnwechsel durch die „Einlagerung“ der Zunge in die bestehende Lücke deutlich verzögert werden. Eine problematische Folgeerscheinung der anhaltenden offenen Mundhaltung und Mundatmung ist auch eine erhöhte Anfälligkeit für Infekte des Nasen-Rachen-Raums (z.B. Schnupfen und Mittelohrentzündungen), da die natürliche Schutz- und Filterfunktion der Nase bei der Atmung nicht genutzt wird. Dadurch kann es zu einer Vergrößerung der Gaumen- und Rachenmandeln kommen, wodurch eine normale Nasenatmung zusätzlich erschwert wird, was wiederum die offene Mundhaltung und Mundatmung aufrechterhält. Ein wahrer Teufelskreis, der sich meist nur durch eine sinnvoll kombinierte Behandlung mit HNO-ärztlichen und kieferorthopädischen sowie logopädischen Maßnahmen durchbrechen lässt.
Woher kommt es, dass ein Kind Probleme mit dem Mundschluss, mit der Zungenlage, mit dem Schlucken hat? Manchmal sind die Ursachen für die Entstehung myofunktioneller Störungen nicht eindeutig oder sie setzen sich aus einigen nicht so offensichtlichen Gründen zusammen. Insbesondere eine ungünstige Säuglingsernährung (keine oder kurze Stillzeit, Flaschensauger mit zu kleiner Lippenauflage oder vergrößertem Saugerloch, Trinken aus Schnabeltassen, zu langes Füttern mit Flüssig- oder Breinahrung), ungünstige Lutschgewohnheiten (Daumenlutschen, zu langes Schnullern oder Sprechen mit Schnuller) sowie eine dauerhaft behinderte Nasenatmung (z.B. aufgrund häufiger Infekte wie z.B. Schnupfen oder Mittelohrentzündung, Allergien oder vergrößerte Gaumen- bzw. Rachenmandeln) können zu Myofunktionellen Störungen führen. Auf der anderen Seite führen auch Zahn- und Kieferfehlstellungen zu myofunktionellen Störungen bzw. kann deren Behandlung mit ungünstigen kieferorthopädischen Geräten (z.B. Zungengitter, Spikes, Gaumenbögen ) eine myofunktionelle Störung aufrechterhalten und sogar verstärken. In manchen Fällen kann auch eine genetische Veranlagung oder eine Störung während der Schwangerschaft oder der Geburt (z.B. Sauerstoffmangel) eine Schädigung bewirken, die sich in der oben beschriebenen Form äußert.