Geburt:
Was Ihr Kind schon verstehen kann
Das Gehör ist bereits im Verlauf des fünften Schwangerschaftsmonats herangereift und ist damit schon vor der Geburt funktionsfähig. Das Fruchtwasser und die Gebärmutterwand dämpfen aber die Umgebungsgeräusche, die das Baby erreichen, stark ab. Deshalb ist nur schwer einzuschätzen, was das Baby vor der Geburt schon hört. Forschungen haben aber gezeigt, dass Neugeborene die Stimme ihrer Mutter anderen Stimmen vorziehen. Überhaupt ist das Neugeborene stärker an menschlichen Stimmen als an mechanischen Geräuschen interessiert. Die meisten Babys mögen ein vorgesummtes oder gesungenes Lied lieber als ihre Spieluhr.
Was Ihr Kind schon äußern kann
Der Geburtsschrei ist die erste hörbare Äußerung eines Kindes. Das Schreien bleibt für einige Monate das stärkste Ausdrucksmittel, mit dem Ihr Kind sich ‚zu Wort meldet‘. Das ist kein Zufall, denn Schreien ist ein sehr starker Reiz, auf den beinahe alle Erwachsenen reagieren (Kennen Sie das z.B. aus dem Supermarkt? Sie hören ein Kind vielleicht im Trotzanfall schreien, und unwillkürlich horchen Sie einen Moment hin und interpretieren das Schreien entweder als Wutausdruck oder als Hilfeschrei und reagieren entsprechend). Die Natur hat also dem ansonsten recht hilflosen Baby ein sehr wirkungsvolles Mittel an die Hand gegeben, die Umwelt auf sich aufmerksam zu machen.
Daneben drückt es sein Befinden aber auch durch seine Körpersprache aus: Ist Ihr Baby satt und zufrieden, fühlt sich der kleine Körper entspannt und nachgiebig an. Sein Unwohlsein dagegen drückt sich durch Anspannung des ganzen Körpers aus.
Sprache lernen … im Gespräch
Obwohl Eltern wissen, dass Neugeborene den Inhalt der Wörter noch nicht im eigentlichen Sinne verstehen, sprechen sie doch von Anfang an mit ihnen. Damit treffen sie bei ihrem Baby auf offene Ohren, denn Säuglinge mögen menschliche Stimmen, besonders die höhere Tonlage der sogenannten Baby- (oder Ammen-)sprache: diese besondere Weise, mit der Erwachsene überall auf der Welt sehr kleine Kinder ansprechen, ist gekennzeichnet durch eine höhere Stimmlage, eine ausgeprägte Sprechmelodie, kurze Sätze, häufige Wiederholungen, gedehnte Selbstlaute (a, e, i, o, u) und Lautmalereien. Von Anfang an reagieren Säuglinge darauf, in welchem Tonfall zu ihnen gesprochen wird. Eltern passen ihr Verhalten intuitiv der Befindlichkeit ihres Babys an und streicheln und liebkosen ihr Kind mit ihrer Stimme und ihren Worten.
1. Monat:
Was Ihr Kind schon äußern kann
Immer noch ist das Schreien die wichtigste Art, sich mitzuteilen. Im Laufe der ersten Wochen entwickeln sich aber Unterschiede im Schreien. Müdigkeitsschreien klingt anders als Hungergeschrei, und auch Schmerz wird durch eine andere Art des Schreiens ausgedrückt.
In wachen, zufriedenen Phasen blickt Ihr Säugling Sie jetzt aufmerksam an. Der Blickkontakt kann auch schon einige Zeit gehalten werden. Auf diese Weise drückt der Säugling Interesse an seinem Gegenüber aus, wenn auch nicht bewusst und absichtlich.
Was Ihr Kind schon verstehen kann
Im Verlauf der ersten Wochen verfeinert Ihr Baby seine Fähigkeit, Stimmen und Sprachmelodien zu unterscheiden immer mehr. Es horcht in wachen, zufriedenen Phasen hin, wie mit ihm gesprochen wird. Es reagiert auf die Melodie einer Äußerung, indem es sich durch eine tiefere, fallende Sprechmelodie beruhigen lässt, während eine steigende oder erst steigend, dann fallende Sprechmelodie die Aufmerksamkeit erregen kann. Vor allem versteht Ihr Kind die Gefühle, Zärtlichkeiten und Liebkosungen, die über Körperkontakt, Körperwärme, aber auch über sprachliche Äußerungen vermittelt werden.
Sprache lernen … im Gespräch
Die Eltern passen ihr Verhalten intuitiv dem Zustand ihres Babys an: erleben sie ihr Kind als wach, zufrieden und aufmerksam, sprechen sie mit eher steigender Sprechmelodie und locken seine Aufmerksamkeit. Spüren sie die Müdigkeit des Säuglings, werden die Äußerungen gedehnter und tiefer. Ihr Baby erfährt immer wieder, dass bestimmte Sprachmelodien zu bestimmten Empfindungen des eigenen Körpers gehören. Schon hier wird die Basis für Sprachverstehen gelegt.
Überall auf der Welt sprechen Erwachsene auf eine besondere Art und Weise mit sehr kleinen Kindern. Die Stimme ist deutlich höher als im Gespräch mit Erwachsenen. Die Äußerungen enthalten viele Silben und Lautmalereien (dei-dei-dei). Wörter werden wiederholt, die Selbstlaute (Vokale: a,e,i,o,u) werden übermäßig gedehnt. Von außen betrachtet wirkt das Verhalten von Eltern (der Gesichtsausdruck, die Körperbewegungen und die Sprechweise) übertrieben und galt eine ganze Zeit lang auch als unnötig. Heute weiß man aber, dass wegen der noch eingeschränkten Aufnahme- und Ausdrucksmöglichkeiten des Säuglings genau diese Art zu sprechen (die sog. Baby- oder Ammensprache) optimal ist. Ohne es je gelernt zu haben verhalten sich die Eltern so, wie es das Baby braucht.
2. Monat:
Was Ihr Kind schon äußern kann
Etwa zwischen der sechsten und achten Lebenswoche (manche Kinder auch schon früher) beginnt Ihr Kind neben dem Schreien auch andere stimmliche Laute (Vokalisationen: Fachbegriff für diese ersten Laute, die noch Vorformen der späteren Sprachlaute sind) von sich zu geben. Dieses Gurren (auch 1. Lallphase genannt) ist bei Kindern aller Sprachen und Kulturen zu beobachten, und auch taube Kinder gurren. Das bedeutet, das die Kinder sich noch nicht selber zuhören. Die Laute entstehen zunächst zufällig durch Muskelbewegungen in Mund, Hals und Kehlkopf. Diese können aber mit der Zeit immer besser kontrolliert werden. Das Baby verwendet in seinen wachen Phasen viel Zeit und Mühe darauf, alle Möglichkeiten auszuprobieren, zu wiederholen und zu variieren. Es betreibt regelrecht Stimmübungen.
Was Ihr Kind schon verstehen kann
Ein weiteres wichtiges Ereignis des zweiten Lebensmonats ist das Auftauchen des ersten Lächelns. Schon früher hatten Sie vielleicht beobachtet, wie Ihr Kind seinen Mund zum sogenannten ‚Engelslächeln‘ verzog, das aber auf rein zufälligem Zusammenziehen der Muskeln beruht. Das jetzt aufgetretene echte Lächeln ist dagegen eine Reaktion auf Ihre Zuwendung. Sie nähern sich dem Kind, nehmen Blickkontakt auf, sprechen liebevoll mit ihm, und es antwortet mit einem Lächeln. Damit zeigt es, dass es die positive Botschaft ‚verstanden‘ hat, denn sein Lächeln zeigt es nicht immer und nicht sofort auf jede Ansprache.
Sprache lernen … im Gespräch
Wenn die ersten Laute des Kindes Fortschritte in der Sprachentwicklung anzeigen, reagieren die Eltern mit einer passenden Verhaltensänderung. Sie tun so, als ob ihr Kind tatsächlich etwas sagt, und antworten darauf. Dadurch bekommt der Austausch zwischen Eltern und Kind schon die äußere Form eines Dialogs, lange bevor Wörter und Sätze beherrscht werden. Die ‚Antworten‘ der Eltern im Dialog bestehen oft aus Imitation oder einer Variation dessen, was das Kind produziert hat. Das Gleichgewicht zwischen Wiederholung, Abwandlung und Neuerung passt genau zur kindlichen Aufmerksamkeit. Denn Kinder sind besonders aufmerksam, wenn sie bei ausreichender Vertrautheit genug Neues geboten bekommen. So stellen sich Eltern unbewusst auf die Fähigkeiten ihres Kindes ein und können schon in diesem jungen Alter kleine Gespräche führen.
3. Monat:
Was Ihr Kind schon äußern kann
Aus den zufälligen Bewegungen der Mund-, Zungen- und Rachenmuskulatur werden immer kontrolliertere Bewegungen. Ihr Baby spielt mit dem, was es fühlt: die Zunge am Gaumen, seine Spucke im Mund. Dabei entstehen vor allem Laute, die sich manchmal wie Gurgeln anhören, manchmal wie r-ähnliche Laute. Das hängt damit zusammen, dass die Zunge ein Stück mehr nach hinten rutscht, wenn das Baby auf dem Rücken liegt. Das Kind bewegt die Zunge und so entstehen hinten an der Zunge die sogenannten Kehllaute: Kehllaute sind die Laute, die im hinteren Mundbereich entstehen.
Was Ihr Kind schon verstehen kann
In den Gesprächen zwischen Mutter oder Vater und Kind achtet das Kind immer mehr auf den Mund und die Lippenbewegungen. Es beginnt zu verstehen, dass Mundbewegungen und Sprechen der Mutter zusammenhängen. Und es wird weiterhin die Gesichter seiner Gegenüber aufmerksam beobachten.
Ihr Kind hat inzwischen auch gelernt, dass die Sprechmelodien, mit denen es angesprochen wird, mit der eigenen Befindlichkeit zusammenhängen. Denn es erfährt regelmäßig, dass es in unbehaglicher Stimmung durch eine eher tiefe, fallende Sprechmelodie und eine gedehnte Sprechweise getröstet wird (z.B. Ist ja guuuut. Jaaa.), während es in wachen aufmerksamen Phasen eher steigende und lockende Sprechmelodien hört.
Sprache lernen … im Gespräch
Das Gurren und Plaudern, das ein Kind jetzt schon beherrscht, wird in eine Art Dialog eingebunden. Ihr Kind freut sich, wenn Sie seine Laute wiederholen und beobachtet Sie dabei genau. Sobald Sie eine Pause machen und Ihr Kind anschauen, setzt es sein Plaudern fort. Manchmal ahmt es Sie bei diesem abwechselnden Plaudern auch nach.
4.Monat:
Was Ihr Kind schon äußern kann
Das Experimentieren und Spielen mit der eigenen Stimme und den ersten stimmlichen Lauten führt dazu, dass jetzt die Stimme auch zum Lachen und Juchzen genutzt wird. Es ist durch plötzliche oder auch kräftige, eindeutige Reize auslösbar, wie z.B. ein spielerisches Erschrecken (Huhh!), durch Kitzeln oder Küssen auf Hand oder Bauch.
Sein Spiel mit Stimme und Lauten setzt der Säugling weiter fort. Er begrüßt plaudernd seine Mutter, wenn sie sich nähert. Er versucht durch sein Plaudern auf sich aufmerksam zu machen. Er plaudert aber auch für sich allein, z.B. morgens nach dem Aufwachen in seinem Bettchen.
Was Ihr Kind schon verstehen kann
Im Verlaufe der ersten Lebensmonate haben Sie sich mit Ihrem Kind eingerichtet, Sie haben sich aneinander gewöhnt und einen neuen Rhythmus gefunden. Dabei kehren bestimmte Abläufe in gewohnter Art und Weise immer wieder. Ihr Kind hat diese regelmäßig wiederkehrenden Abläufe kennen gelernt und kann sie mit bestimmten Sprechmelodien und Geräuschen in Verbindung bringen. So lernt Ihr Kind, dass die umgebenden Sprachmelodien nicht nur mit seiner eigenen Befindlichkeit zu tun haben (wie z.B. die tröstende Stimme der Mutter und das eigene Unbehagen). Es lernt, die Umgebungssprache mit den Umgebungsereignissen in Verbindung zu bringen. Bestimmte Äußerungen und Wörter, die die Eltern z.B. beim Füttern oder Wickeln immer wieder gebrauchen, werden dem Kind immer vertrauter.
Sprache lernen … im Gespräch
Auch die Sprach- und Stimmspiele, mit denen das Kind zum Juchzen gebracht werden kann, werden mit wechselnden Rollen ausgeführt: Sie registrieren die Aufmerksamkeit Ihres Kindes, dann knuddeln oder kitzeln Sie es, wie Ihr Kind es gern mag, halten dann kurz inne, um die Reaktion des Kindes abzuwarten. Ihr Kind antwortet mit seinem fröhlichen Juchzen, macht dann seinerseits eine kurze erwartungsvolle Pause, und regt Sie so an, das Spiel zu wiederholen. Wie in späteren Gesprächen mit Worten, wechseln sich Eltern und Kind in ihren Handlungen ab und folgen dem Muster ‚ich bin dran – du bist dran‘.
5. Monat:
Was Ihr Kind schon äußern kann
Wie unterschiedlich Kinder sich entwickeln, zeigt sich in der Sprachentwicklung besonders in dieser Zeit. Einige Kinder setzen ihr Stimmtraining der letzten Monate fort und probieren weiter alle Bewegungsmöglichkeiten aus. Andere Kinder legen eine Pause ein, lassen nur noch wenig Laute und Gurren hören. Man könnte meinen, sie wollten sich auf den nächsten großen Schritt in der Sprachentwicklung einstellen.
Was Ihr Kind schon verstehen kann
In der Zeit mit einem Säugling herrscht nicht immer eitel Sonnenschein. Ihr Baby hat nun so viele verschiedene und ähnliche Erfahrungen mit Gesichtern und Stimmklang gesammelt, dass es den Ausdruck von Mimik und Tonfall verstehen und liebevollen von ärgerlichem unterscheiden kann. Auch werden die Abläufe des täglichen Lebens und deren sprachliche Begleitung immer vertrauter. Dabei versteht Ihr Kind keine einzelnen Wörter oder Sätze, sondern bringt verschiedene Eindrücke zu einem Gesamteindruck zusammen (z.B. bestimmte Gerüche, Geräusche und Handlungen bei der Vorbereitung des Badens).
Sprache lernen … im Gespräch
Sie sprechen weiterhin mit Ihrem Kind bei allen Handlungen und Ereignissen, die Ihr Kind mit Ihnen erlebt. Dabei denken Sie nicht darüber nach, wie oder was Sie sprechen. Dennoch passen Sie sich den wachsenden Fähigkeiten Ihres Kindes an. Auch, wenn Ihr Kind in dieser Phase vielleicht wenig ’spricht‘, setzen Sie dennoch das Gespräch mit ihm fort. Sie sprechen darüber, was Sie gerade tun oder womit Ihr Kind sich gerade beschäftigt. So kann es täglich sprachliche Erfahrungen sammeln, die es für den weiteren Sprachaufbau braucht.
6. Monat:
Was Ihr Kind schon äußern kann
Durch Bewegungen der Mundmuskulatur (Lippen, Wangen und Zunge) entstehen neue Laute, die den Konsonanten (Mitlauten) der Muttersprache immer mehr ähneln. Das Kind beginnt die verschiedenen Laute zu verbinden und erste Silben zu bilden. Dabei produziert es keine Einzelsilben, sondern reiht die Silben kettenartig aneinander (sogenannte 2. Lallphase). Die Silbenketten werden in Tonhöhe oder Lautstärke variiert, und so entsteht manchmal ein flüssiges Erzählen, das wie eine eigene Sprache klingt. Das Kind spielt mit den Lippen- und Zungenbewegungen und hört sich dabei selbst zu. Möglicherweise hat es die Pause zwischen dem Gurren und der 2. Lallphase gebraucht, um den Zusammenhang zwischen den eigenen Bewegungen und den Höreindrücken zu entdecken.
Was Ihr Kind schon verstehen kann
Der Blickkontakt ist schon lange ein Zeichen für die wechselseitige Aufmerksamkeit füreinander. Dabei hat Ihr Kind immer mehr auf den Gesichtsausdruck geachtet und ‚versteht‘ jetzt die Gesichtszüge seines Gegenübers, d.h. es unterscheidet freundliche Gesichter von verärgerten oder skeptischen Gesichtszügen. Dabei bringt es den Ausdruck des Gesichts mit dem Ausdruck des Tonfalls in Verbindung. Es unterscheidet auch vertraute von fremden Gesichtern. Ein ‚Fremder‘ (das kann in diesem Alter jede Person sein, mit der sich das Kind nicht vertraut fühlt) muss jetzt in gebührendem Abstand eine Zeitlang um die Zuneigung des Kindes werben, ehe es sich ein Lächeln entlocken lässt. Gesichtsausdruck, Stimmklang und Sprechweise sind die Kanäle, die der Gesprächspartner hat, um das Kind freundlich und wohlgesonnen zu stimmen.
Sprache lernen … im Gespräch
Bisher hat sich Ihr Kind hauptsächlich für Sie und die Hauptbezugspersonen interessiert. Inzwischen hat sich das Greifen soweit entwickelt, dass Gegenstände zwischen den Händen gedreht und gewendet werden können. Damit erweitert sich das Interesse des Kindes auf Gegenstände und Spielzeug. Auch die Verarbeitung von Sehreizen ist inzwischen darauf vorbereitet, dass das Kind sich der weiteren Umgebung zuwenden kann. Das beginnende Sitzen ermöglicht einen neuen Blickwinkel. Unbewusst stellen sich die Eltern darauf ein. Bisher haben Sie Ihr Kind so gehalten, dass Sie leicht Blickkontakt aufnehmen konnten. Jetzt tragen Sie Ihr Kind häufiger mit dem Rücken zu sich, so dass es ‚in die Welt‘ schauen kann. Dabei nehmen die Kommentare zu, die sich auf das beziehen, womit sich das Kind beschäftigt. Eltern bringen die neuen Erfahrungen des Kindes mit Wörtern in Verbindung. Das Kind wird immer vertrauter mit seiner Umgebung. Die Wörter gehören dazu, ohne dass die einzelnen Wörter schon verstanden werden.